Rosenmontagzug 2025: Unsere Analyse …
Begleitend zu unserem Negativ-Highlight-Film 2025 hier eine ausführlichere Zusammenfassung:
Gibt es Veränderungen im Vergleich zu den Vorjahren?
Ja und Nein. Es gab in diesem Jahr weniger Bilder von Pferden, die völlig außer Kontrolle gerieten – nur vereinzelt sah man Tiere, die heftig mit dem Kopf schlugen, mit den Hufen scharrten oder sichtlich genervt auf harte Reiterhände reagierten, die grob im Maul zogen.
Doch was wir dieses Jahr häufiger beobachten mussten – und das bricht einem noch mehr das Herz – war das stille Leiden vieler Pferde:
Sie gehen schief, drängen sich an das Partnerkutschpferd, blicken traurig, senken den Kopf – sie fügen sich stumm ihrem Schicksal, während auf ihrem Rücken laut „Alaaf“ gerufen wird.
Beurteile selbst, ob diese Tiere glücklich aussehen.




240 Pferde nahmen am Umzug teil, 40 Blutproben wurden entnommen.
Offiziell gab es keine Auffälligkeiten – keine positiven Tests auf Sedativa. Zumindest nicht bei den 40 getesteten Pferden. Wie es um die restlichen 200 steht, bleibt unklar…
Wie schon in den vergangenen Jahren spielten die geltenden Leitlinien offenbar keine große Rolle – obwohl man sich öffentlich immer wieder zu ihnen bekennt.
So waren bei den Blauen Funken und der Ehrengarde erneut Musikkapellen direkt neben den Pferden positioniert. Und auch die Aufstellung der Tiere im Zug folgte nicht den Empfehlungen: Statt am Anfang oder Ende liefen sie wieder bunt verteilt mitten im Geschehen.



In den Leitlinien ist auch die Einsatzzeit der Pferde geregelt – und diese wurde in diesem Jahr ausnahmsweise eingehalten.
Zumindest, was die maximale Zugdauer von vier Stunden betrifft. Einige Pferde verbrachten die Nacht zuvor auf der Rennbahn in Weidenpesch. Doch spätestens (!) um 9 Uhr – vermutlich sogar deutlich früher – mussten sie am Aufstellplatz sein. Danach liefen sie vier Stunden im Zug mit und wurden anschließend ohne weitere Übernachtung zurück nach Hause transportiert.
Und „nach Hause“ bedeutete in vielen Fällen:
- Waiblingen, Baden-Württemberg (370 km)
- Neumarkt, Bayern (442 km)
- Schwäbisch Hall, Baden-Württemberg (394 km)
- Aalen, Baden-Württemberg (431 km)
- Potschesried, Bayern (608 km)
Auch Pferde aus dem Märkischen Kreis, Ahrweiler, Siegburg, Neuss und Neuwied wurden ohne Übernachtung angeliefert. Diese Orte liegen zwar näher, aber dennoch weit genug entfernt, um auszuschließen, dass Reiter und Pferd sich vor dem Umzug kennenlernen konnten – obwohl genau das eine Grundvoraussetzung laut Leitlinien ist: Reiter und Pferd sollen ein eingespieltes Team sein, damit das Tier im Stress des Zuges auf eine vertraute Bezugsperson bauen kann.
Viele Kutschpferde waren zudem übermäßig geschmückt – fast wie Weihnachtsbäume.
Offenbar war es um sie herum noch nicht laut genug… Besonders bei der Ehrengarde, der Nippeser Bürgerwehr und den Altstädtern fiel auf, dass zusätzlich kleine Schellen angebracht waren, die bei jedem Schritt gegen die Pferdebeine schlugen.





Auch das Verhältnis zwischen Reitergewicht und Pferdegewicht ist in den Leitlinien klar geregelt.
Demnach dürfen Reiter*innen plus Ausrüstung (Sattel, Packtaschen etc.) nicht mehr als 15 % des Körpergewichts des Pferdes wiegen. Bei einem 600 kg schweren Pferd wären das:
- Reitergewicht: max. 80 kg
- + ca. 10 kg für Sattel, Kamelle und ggf. eine Standarte
Doch wie sieht die Realität aus?
Die Reaktion der Staatsanwaltschaft auf unsere Anzeigen wegen Missachtung dieser Vorgabe im Jahr 2024 lautete sinngemäß:
„Man könne nicht mit Bestimmtheit sagen, ob die Reiter das zulässige Gewicht überschritten hätten.“
Und tatsächlich: Wiegen lassen sich die Teilnehmer von uns natürlich nicht – weder zur Bestätigung noch zur Widerlegung.
Beurteile selbst, ob man hier mit 80 kg hinkommt:




Dieses Pferd musste immerhin nicht lange durchhalten:
Es wurde irgendwo zwischen Severinstraße und Breite Straße aus dem Zug genommen.
Sein Reiter – Teilnehmer Nr. 62 der Altstädter – setzte den Weg anschließend zu Fuß fort.

Bei den Kutschen fiel es uns besonders schwer, das Gewicht realistisch einzuschätzen – denn Auskünfte dazu erhalten wir selbstverständlich nicht.
Laut Leitlinien darf das Gesamtgewicht (Kutsche, Personen und Wurfmaterial) das Doppelte des Pferdegewichts nicht überschreiten. Bei vier Kaltblütern wären das also rund 6.400 kg.
Was dabei jedoch nicht berücksichtigt wird:
Die Pferde müssen die Kutschen teilweise über sandigen Untergrund ziehen – was den Kraftaufwand erheblich erhöht, insbesondere durch das ständige Stop-and-Go während des Zuges.
Fakt ist: Einige Pferde waren sichtlich erschöpft und schweißnass.
Besonders bei der Ehrengarde und der Prinzengarde fielen sehr große, schwere Kutschen auf, auf denen viele Personen mitfuhren – zusätzlich zu vermutlich tonnenweise Wurfmaterial, das mitgeführt wurde.
Am Zugende waren alle Pferde deutlich gezeichnet von der Belastung.
Und einige von ihnen mussten am nächsten Tag erneut in den Veedelszöch mitlaufen.
Ein weiterer Punkt aus den Leitlinien:
Satteln und Zäumen dürfen erst nach dem Abladen der Pferde vom Transportfahrzeug erfolgen.
Auch diese Vorgabe wurde nicht überall eingehalten.

Köln: Pferde warten in einem Pferdelaster auf ihren Einsatz beim Rosenmontagszug.
Quelle: Köln: So lief die Kontrolle der Pferde im Rosenmontag – Rundschau Online
Erschreckend war auch, mit welchen Transportmitteln einige Pferde die teils sehr langen Strecken – etwa aus Bayern (über 600 km) – zurücklegen mussten.
Diese Anhänger wurden nicht am Vorabend auf der Weidenpescher Rennbahn abgestellt, sodass unklar bleibt, wo die Pferde die Nacht verbracht haben. Wir versuchen derzeit noch herauszufinden, ob einige Tiere möglicherweise in Schlachttransportern übernachten mussten – Fahrzeugen, in denen man sich nicht hinlegen kann und die für den Transport von Nutztieren zur Schlachtung vorgesehen sind.
Für Pferde, die besonders empfindlich auf Gerüche und Stress reagieren, wäre das eine extreme Belastung:
Die sensiblen Nüstern könnten den Angstschweiß anderer Tiere wahrgenommen haben – Tiere, die in diesen Transportern ihre letzte Reise antreten mussten.


Dass im Kölner Karneval die Interessen Einzelner häufig über das Tierwohl gestellt werden, ist inzwischen weithin bekannt.
Dass dabei auch Tierleid in Kauf genommen wird und man nicht immer behutsam mit diesen wunderschönen Lebewesen umgeht, ist leider ebenso kein Geheimnis mehr.
Doch in diesem Jahr mussten wir einen Fall von extremer Tierquälerei beobachten, der selbst uns tief erschüttert hat:
Dem Hengst Attila aus dem fernen Bayern wurde grob in die empfindliche Region oberhalb der Nüstern gegriffen – genau dort, wo sich der fragile Nasenknochen befindet. Diese Stelle wurde regelrecht als „Handgriff“ missbraucht.
Dabei wurde dem Tier nicht nur Schmerz zugefügt, sondern auch die Atmung massiv eingeschränkt.


Auch bei den Pferden, die von der Nippeser Bürgerwehr angemietet wurden, fiel auf:
Ihnen wurde fast durchgehend direkt ins Gebiss gegriffen.
Warum wurde hier nicht mit einem einfachen Führstrick gearbeitet? Stattdessen zerrte man den Tieren während des gesamten vierstündigen Zuges immer wieder direkt im Maul herum – und das bei der Verwendung eines ohnehin scharfen Gebisses.
Denn: Durch die langen Schenkel der Kandare entsteht eine erhebliche Hebelwirkung im Pferdemaul.
Ein Fachbericht eines Hippologen warnt ausdrücklich:
„Mit der Kandare, oft schlicht ‚Stange‘ genannt, dürfen nur Reiter mit weicher Hand und unabhängigem Sitz reiten, da durch die Hebelwirkung eine enorme Kraft aufgebaut werden kann. Bei unsachgemäßem Gebrauch kann es zu Verletzungen im Pferdemaul kommen.“


Vor dem Zug werden die Pferde auch vom Veterinäramt kontrolliert.
Bei 240 Pferden ist das natürlich eine enorme Aufgabe – da kann es durchaus vorkommen, dass das eine oder andere übersehen wird.
Ein Beispiel: Hufe, die nicht geeignet sind, um 7 Kilometer über Asphalt eine Kutsche zu ziehen.



Im folgenden Fall hat der Hufschmied vermutlich Blut und Wasser geschwitzt, um überhaupt noch eine geeignete Stelle für die Nägel zu finden.
Die Hufe wirken „marode“ und wurden offenbar mit Kunststoffmaterial aufgefüllt. Besonders hinten rechts sieht das Ganze sehr provisorisch und instabil aus – fast wie „zusammengezimmert“.
Das betroffene Pferd – Nummer 77 der Altstädter – lief an vielen Stellen nicht taktrein und zog das betreffende Bein häufig nach.

Was in den Diskussionen immer wieder auffällt, ist die verschobene Wahrnehmung der Realität:
So wurden wir beispielsweise gebeten, nach Einbruch der Dunkelheit ohne Licht zu filmen, da dies die Pferde verunsichern könne.
Unnötig zu erwähnen, dass die Tiere an diesem Tag mit deutlich mehr Stressoren konfrontiert waren als mit einer zusätzlichen Lichtquelle…
Ein weiterer Hinweis lautete, wir sollten uns nicht über den Stress der Pferde aufregen – schließlich sei schon das Verladen für viele Tiere eine Belastung.
Aha.
Ja, alle Pferde müssen für den Transport zum Rosenmontagszug verladen werden – der Stress beginnt also bereits lange vor dem Zug.
Da fühlt man sich unweigerlich an Pippi Langstrumpf erinnert:
„Wir machen uns die Welt, widde widde wie sie uns gefällt…“
Trotz allem haben wir in diesem Jahr enormen Zuspruch für unser Engagement gegen den Einsatz von Pferden im Karneval erhalten:
- Applaus und Strüßjer – sogar von Mitgliedern der KGs, die selbst Pferde mitführen
- Spontane Rufe von Jecken neben unseren Filmteams: „Pferdefrei – kein Pferd dabei!“
- Positive Rückmeldungen und Unterstützung über Social Media
- Und eine große Menge an Bild- und Videomaterial aus der Öffentlichkeit
Diese lauter werdenden Stimmen spiegeln sich auch in der jüngsten Umfrage wider:
70 % der Befragten sprechen sich für ein Verbot von Pferden im Karneval aus.
Diesen Stimmen – und unserem eigenen Antrieb – folgend, werden wir weiter dokumentieren und aufklären:
Dass hier Tierleid ignoriert, gegen das Tierschutzgesetz verstoßen und all das mit dem fadenscheinigen Argument der Brauchtumspflege gerechtfertigt wird.
Ein Punkt, der auch für alle Kölner Bürger*innen von Interesse sein dürfte:
Wir gingen bislang davon aus, dass die Kosten für Veterinärärzte und Labore (z. B. für Blutproben) zwischen Festkomitee, Karnevalsgesellschaften und Stadt aufgeteilt würden – was uns schon geärgert hat.
Doch es kommt noch dicker:
Die komplette Rechnung wird der Stadt Köln vorgelegt.
Das heißt: Wir alle zahlen diese Kosten mit unseren Steuergeldern.
Und bei 40 Blutproben dürfte es sich um eine hohe fünfstellige Summe handeln –
wohlgemerkt in einer Zeit, in der überlegt wird, ob 2026 die Schull- und Veedelszöch aus Kostengründen abgesagt werden müssen.
Umso mehr freuen wir uns auf die Wertschätzung unseres ehrenamtlichen Engagements – für Köln, für die Lokalpolitik, für die Außenwirkung unserer Stadt, für die Sicherheit der Menschen und natürlich für den Tierschutz.
Denn das neue Motto für 2026 lautet:
„Mer dun et för Kölle!“
Damit wollen die Verantwortlichen den Fokus auf die vielen Tausend Menschen lenken, die sich ehrenamtlich für Köln engagieren.
Christoph Kuckelkorn, Präsident des Festkomitees Kölner Karneval, erklärt dazu:
„Dabei soll es nicht nur um die rund 30.000 im Festkomitee organisierten Karnevalisten gehen, sondern um alle Kölner, die sich in ihrer Freizeit für andere engagieren – im Sportverein oder in der Kirche, bei caritativen Organisationen oder in der Lokalpolitik, in der Jugendarbeit oder im Hospiz. Sie alle bilden das Rückgrat der Stadtgesellschaft und haben es verdient, aus der zweiten Reihe auf die große Bühne geholt zu werden.“
Euer NTK