Die Leitlinien des Rosenmontagszugs 2024 …
… und täglich grüßt das Murmeltier!
Und wieder ein Rosenmontag mit den gleichen schlimmen Bildern wie in den Jahren zuvor: aufgeblähte Nüstern, aufgerissene Pferdeaugen, schwitzende und teilweise strauchelnde Pferde sowie ignorante Reiter*innen, die sich 8,5 km durch Köln tragen lassen, egal wie es den Tieren unter ihnen dabei geht.
Wir sahen erfinderische Gebisse, schlecht gepflegte und teils beschädigte Hufe, zu eng geschnürte Bandagen, die die Blutzufuhr stören können, überforderte Pferdeführer, Pferde, die bockten, sich drehten und zu steigen drohten, viel zu schwere Reiter*innen, denen die Bewegung zu Fuß gutgetan hätte, Reiter, die ihren Pferden im Maul zogen, als gäbe es kein Morgen, und unbeeindruckte Kutscher, die auf dem Kutschbock trohnten.
Von der Einhaltung der viel gepriesenen Leitlinien keine Spur – es grenzt schon an blanken Hohn, wie wenig sich daran gehalten wird (siehe Beispiele unten). Dabei heißt es doch im Eingangstext: „Die Brauchtumspflege darf natürlich nicht zu Lasten der Tiere gehen“ – blabla. Was nützen die schönsten Leitlinien, wenn sie keiner befolgt?!
Der Witz des Jahrhunderts ist, dass keine neutralen Personen, sondern Subjekte aus den eigenen Reihen zu Pferdekontrolleuren ernannt werden – da wird der Bock zum Gärtner gemacht. Kein Geringerer als Hajo Jennes (aktives Mitglied der Ehrengarde, die sich in vielen Fällen schon nicht mit Ruhm bekleckert hat und sich kaum um die Leitlinien kümmert – siehe Beispiele wie Musikkapellen direkt vor oder hinter Pferdegruppen…), Reitercorpsführer und engagierter Befürworter der Pferde im Rosenmontagszug. Man erinnere sich an seinen kürzlich flammenden Appell, dass die Pferde bald aus unserem Leben verschwinden, wenn sie keine Daseinsberechtigung mehr durch Karnevalsumzüge und Turniere haben, womit er sich in der Öffentlichkeit ziemlich lächerlich gemacht hat. Jennes lief vor dem Zug von Kutscher zu Reiter, drückte freundschaftlich Hände und wünschte viel Spaß.
Zum Glück war er nicht der Einzige – es gab auch verantwortungsvollere Pferdekontrolleure. Immerhin wurden sechs Pferde aus dem Zug genommen – eines durfte gar nicht starten, ein Pferd der Prinzengarde (Kopfnummer 200) wurde direkt kurz hinter der Severinstorburg herausgenommen. Man muss sich fragen: Warum musste es überhaupt mitgehen, nachdem es vor dem Zug schon nicht „glücklich“ aussah?

Warum wurde es nach der Rausnahme nicht ruhig untergebracht, sondern stattdessen stundenlang von zwei Pferdebegleitern durch die Straßen Kölns geführt, bis zum Ende des Zuges?


Zugleiter Holger Kirsch sagte noch im Interview mit dem WDR, dass „auch alles, was mit Hufen unterwegs ist, ganz entspannt wäre“- da waren schon 3 Pferde aus dem Zug genommen worden, die wohl doch nicht so entspannt waren und 3 weitere folgten alsbald. Aber was soll er auch sagen? Dass – wie jedes Jahr- viele Pferd mit dem Kopf schlagen, mit den Hufen scharren, hektisch „stresskauen“, sich drehen und auch genervt bocken, um den lästigen Reiter loszuwerden und endlich diesem Theater, diesem Jeckespill zu entkommen? Das wäre ehrlich gewesen, aber natürlich nicht förderlich zum “Wahren der Tradition“.
Wir erinnern gerne nochmal ans geltende Tierschutzgesetz, das auch sehr weichgekocht serviert wird in diesem Kontext: „§1 Satz 2 Tierschutzgesetz bestimmt, dass niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf. „in §3 Nummer 6 wird zudem das Verbot ergänzt: „ein Tier zu einer… Schaustellung ..oder ähnlichen Veranstaltung heranzuziehen, sofern damit Schmerzen, Leid oder Schäden für das Tier verbunden sind“
Und so sehen Tiere aus, denen ein Leid zugefügt wird: ( Anmerkung: diese Zeichnung hilft auch „Nicht- Pferdekennern“ zu sehen, woran man ein Schmerzgesicht erkennen kann)

















Diese Pferde drängten sich die ganze Zeit eng aneinander…

Diese Pferde gingen sehr bald die ganze Zeit schräg – entweder können sich die beiden nicht leiden, oder das Pferd rechts will sich an Pferd links „kuscheln“, was Pferd links nicht mag oder der Kutscher kriegt die Kutsche nicht gerade gelenkt. Auf jeden Fall ist es so keine gesunde Haltung für 4 – 5 stündiges Ziehen der Kutsche.
Ein Pferd begann relativ früh, unrund zu gehen, bis hin zu unübersehbarem Humpeln. Doch niemand veranlasste, das Pferd rauszunehmen – weder die Kontrolleure, noch die Pferdebegleitperson, noch der Reiter, dem der unrunde Gang eigentlich hätte auffallen müssen (es schaukelt dann ja deutlich mehr…). Wahrscheinlich war die Aussicht, zu Fuß gehen zu müssen, zu unattraktiv, und – das Pferd „tat’s ja noch…“ – ist auf unserem Film auf der Homepage gut zu erkennen. Hier nur ein Foto zur Orientierung, um welches Pferd es sich handelt (Nummer 4 der Altstädter):


Warum muss diesen Pferden ins Gebiss gegriffen werden? Die Pferde gehen brav, unauffällig und in ihr Schicksal ergeben und ziehen die schwere Kutsche. Dennoch wird ihnen im Maul herumgerissen – vollkommen unnötiges Zufügen von Schmerzen. Kriegt der Kutscher das nicht alleine hin, seine Pferde zu steuern? Die Fotos sind alle an der gleichen Stelle entstanden, und allen vier Pferden dieser Kutsche greift man ins oder zerrt am Gebiss.




Und auch hier wird unsanft am Gebissring gezogen – warum nicht den Führstrick nehmen, der nicht direkt am Gebiss hängt?

Am 14.03.24 wurden die Ergebnisse der Blutproben bekannt gegeben. (Es tut uns schon leid, dass man die Blutentnahme den Tieren antun muss, obwohl bekannt ist, dass es Sedierungen gibt, die im Blut nicht nachgewiesen werden können, oder dass es möglich ist, den Pferden NACH der Kontrolle Sedierungen zu verabreichen…) Dabei kam heraus, dass drei der 40 getesteten Pferde positiv auf Schmerzmittel getestet wurden. Der Express titelte messerscharf: „Pferde für Rosenmontagszug fit gespritzt?“ Uns stellt sich die Frage: Welches Pferd muss diese Strapazen auf sich nehmen, obwohl es Schmerzmittel nehmen muss – was ja ein Indiz dafür ist, dass es dem Tier nicht gut geht.
Erschrocken waren wir auch über die anfallenden Kosten: Allein die Laborkosten für die Blutproben liegen bei stolzen 7425,00 €, die zu gleichen Teilen vom Festkomitee und vom Umwelt- und Verbraucherschutzamt (also vom Steuerzahler) getragen werden. Dabei sind die Kosten für die Veterinärärzte und Pferdekontrolleure etc. nicht enthalten. Sollte man das Geld nicht besser in weitere Schutzmaßnahmen investieren, damit der Rosenmontagszug auch bei wachsendem Risiko durch Terrorvorhaben und gewaltbereite Menschen sicher durchgeführt werden kann?
Viele Pferde trugen Bandagen – die Holländer sind da wohl weiter als wir im Karneval:


Kommen wir zu den Leitlinien – die Zeit und Mühe, diese zu erarbeiten, hätte man sich sparen können, denn sie interessieren die Verantwortlichen scheinbar nicht:
Leitlinie 1.1
„Die Gesamteinsatzzeit der Pferde im Zug darf acht Stunden nicht überschreiten. Spätestens vier Stunden nach Zugbeginn ist eine Pause einzulegen. Wenn die Möglichkeit einer mindestens halbstündigen Pause zur ungestörten Futter- und Wasseraufnahme für die teilnehmenden Pferde nicht ermöglicht werden kann, ist der Einsatz der Pferde zu diesem Zeitpunkt zu beenden. Die Pferde sind aus dem Zug zu nehmen.“
Es gab für einige Pferde eine Übernachtung auf der Rennbahn in Weidenpesch, aber dann waren die Pferde spätestens um 9 Uhr am Aufstellplatz (wahrscheinlich schon viel früher), gingen mindestens fünf Stunden im Zug mit = sechs Stunden Minimum und wurden dann ohne zweite Übernachtung nach Hause gebracht. Und „nach Hause“ bedeutet nach Regen (600 km), Neumarkt (446 km), Görlitz (674 km), Rems-Murr (370 km) und Schwäbisch Hall (363 km) – das heißt für diese Pferde dauerte der lange Rosenmontag mindestens 11 Stunden, bis hin zu 19 Stunden!
Und es gab Pferde, die weitere Strecken ohne Übernachtung anreisten, z.B. aus den Niederlanden, aus dem Vogelsbergkreis (234 km), aus dem Hochsauerlandkreis (148 km), aus Minden (234 km) – das heißt auch hier zwei bis drei Stunden Anreise, fünf Stunden Zugweg, zwei bis drei Stunden Rückreise = mindestens 11 Stunden.
Man kann daher davon ausgehen, dass die Pferde wesentlich länger als acht Stunden Gesamteinsatzzeit hatten und selbst wenn sich die Leitlinie nur auf den Zug bezieht, konnten wir nicht beobachten, dass Pferde nach vier Stunden eine halbstündige Pause bekommen haben. Unter fünf Stunden gelangt kein Pferd vom Start bis zum Zugende.
Leitlinie: 1.1
„Gerittene Pferde bzw. Gespanne sind am Anfang oder am Ende des Zuges zu positionieren.“
Die bekannte und veröffentlichte Reihenfolge des Zuges zeigt, dass diese Leitlinie auch nur ansatzweise beachtet wird- Pferde gab es in den Gruppen 1,8,9,12,18,24,33,39,46,64 und 66- also an allen Stellen des Zugs.
Leitlinie1.1
„… eine Positionierung unmittelbar hinter oder vor einer Musikkapelle oder einer anderen lauten Geräuschquelle ist zu vermeiden“

Erst Kapelle, dann Kutsche, dann wieder Kapelle …




Hinter der Reitergruppe der „Columbinen Colonia“ kam ein großer Musikwagen mit Boxen
Leitlinie: 2.1
„Aufgrund der besonderen Anforderungen an die Kondition und Konstitution der Pferde wird empfohlen, den Einsatz auf Tiere im Alter zwischen dem 6. bis 20. Lebensjahr zu begrenzen. „

Bei diesem Pferd haben wir uns gefragt, ob es nicht zu alt sein könnte? Das Gesicht wirkt schon sehr eingefallen und die wenigen Zähne lassen ähnliche Vermutungen zu- das sollte aber eigentlich sehr einfach durch den Equidenpass festzustellen sein und wir gehen dann mal davon aus, dass die Pferdekontrolleure und das Veterinäramt das gesehen hätten- oder?
Leitlinie 3
„Die Zäumung hat gemäß dem Sportregelwerk der Deutschen Reiterlichen Vereinigung e.V. (FN) zu erfolgen. Die Ausstattung der Pferde ist optimal an die Tiere anzupassen und muss sich in einem gepflegten und funktionsfähigen Zustand befinden.“
Na, das hat hier ja nicht wirklich funktioniert:


Es ist wohl eher Glücksache, wenn das Zaumzeug passt, vielleicht kann das auch u.a. erklären, warum viele der Pferde mit dem Kopf schlagen und wie verrückt kauen und schäumen- oder es sind doch die Nerven und nicht die Ausstattung- auf jeden Fall ist es kein entspanntes Abkauen …
Leitlinie: 4
„Ein geeignetes Verhältnis zwischen Körpergewicht des Reiters/der Reiterin und dem Pferd ist zu berücksichtigen Das maximal zulässige Reitergewicht umfasst dabei sowohl den Reiter als auch die Ausrüstung (Sattel/ Packtaschen)“

Geschätztes Pferdegewicht: 500 Kilo, Frau samt Wurfmaterial und Sattel definitiv mehr als 75 Kilo.

Geschätztes Pferdegewicht: 500 Kilo, Frau samt Wurfmaterial und Sattel definitiv mehr als 75 Kilo.

Geschätztes Pferdegewicht: 600 Kilo, Mann samt Wurfmaterial und Sattel definitiv mehr als 90 Kilo.

Geschätztes Pferdegewicht: 600 Kilo, Mann samt Wurfmaterial und Sattel definitiv mehr als 90 Kilo.

Geschätztes Pferdegewicht: 500 Kilo, Frau samt Wurfmaterial und Sattel definitiv mehr als 75 Kilo.

Geschätztes Pferdegewicht: 600 Kilo, Mann samt Wurfmaterial und Sattel definitiv mehr als 90 Kilo.
Leitlinie 5: „Das zulässige Gesamtgewicht einer Kutsche (Fahrzeug, Zuladung und Personen) sollte nach einer Faustformel nicht höher sein als das doppelte Körpergewicht der Pferde.“
Bei den Kutschen fiel es uns schwer, das Gewicht zu schätzen, denn Auskünfte dazu bekommt man als Tierschützer und somit Staatsfeind Nummer eins natürlich nicht. Hier wird das doppelte Pferdegewicht zugrunde gelegt. Bei vier Kaltblütern dürften Kutsche, Menschen und Wurfmaterial also ca. 6400 Kilo wiegen (bis auf drei Ausnahmen wurden die Kutschen von Kaltblütern gezogen, da geht man von 800–900 Kilo aus). Man berücksichtigt dabei nicht, dass die Pferde die Kutschen teilweise auf Sand ziehen müssen, was nochmal viel anstrengender ist. Der Zeitraum von sechs Stunden im Stop-and-Go eine schwere Kutsche zu ziehen, kann auch nicht gut für die Pferde sein – zumal viele eine weite An- und Abreise haben und einige in den Veedelszügen am Dienstag nochmal ranmüssen. Auf jeden Fall waren einige Pferde sichtlich erschöpft und nassgeschwitzt. Wie hier die Pferde der Blauen Funken-Kutsche: Auf der Kutsche sitzen locker 300 Kilo Gewicht, und die Decken der Pferde sind…




Hier sind nicht so viele Leute auf der Kutsche, aber die Pferde sind beide keine klassischen kräftigen Kutschpferde. Nummer 211 ist ein eher zartes Pferd – schätzungsweise sogar unter 500 Kilo. Dafür wiegt der rechte Kutscher aber bestimmt 150 Kilo.
Vor allem die Ehrengarde packt alles, was nicht bei drei auf dem Baum ist, in die Kutschen: 14 Kinder + Begleitpersonen, 10-12 kräftige Männer und tonnenweise Wurfmaterial – hier heißt es nicht kleckern, sondern klotzen…

Leitlinie 1.5:
„Der Konsum von Alkohol und anderen Drogen vor und während der Veranstaltung ist für alle mit den Pferden befassten Personen ausnahmslos untersagt. Ebenso sind das Rauchen sowie – mit Ausnahme von Notsituationen- die Handynutzung während des gesamten Einsatzes untersagt.“








Dito! (Reiter der KG Große Kölner, der seinen Unmut über unseren Protest ziemlich „erwachsen“ ausdrückte…)
Nach dem Rosenmontagszug haben wir unsere Aufzeichnungen einigen Experten zur Ansicht vorgelegt. Darunter waren u.a. Pferde- und Stallbesitzer, allgemeine Tierärzte, Fachtierärzte für Pferde, Hippologen und Pferdetrainer (auch bekannt aus dem TV). Einige wollten sich nicht öffentlich äußern – u.a. aus Sorge vor Repressalien durch die FN, aus Angst, Kunden zu verlieren oder aus anderen, auch nachvollziehbaren Gründen.
Aber u.a. Dr. med. vet. Maximilian Pick (Fachtierarzt für Pferde) und Dr. Ingolf Bender (Beratender Biologe, hippologische und kynologische Fachberatung) haben uns und PETA eine schriftliche Stellungnahme zukommen lassen. Westerntrainerin Sandra Schneider zeigte sich entsetzt und schockiert ob der Bilder. Wie auch alle anderen Experten, denen wir das Material vorgelegt haben, kommen Dr. Pick und Dr. Bender zu dem Schluss, dass es „Beweise für die Tierschutzrelevanz zu sehen gibt und erhebliches Leiden vorliegt“ und dass das „Erzeugen von Angst und Aufregung zur Erreichung eines Spaßfaktors für den Zuschauer als Verstoß gegen §3 des Tierschutzgesetzes zu sehen ist“ und „Motive wie Tradition und Volksbelustigung können niemals als vernünftige Gründe gelten, die es rechtfertigen würden, Tierleid zu akzeptieren“.
Die Experten beobachten auffällige Gangbilder, Abwehrbewegungen, „riegelnde“ Reiterhände, Lahmheiten, Taktunreinheiten, Stressanzeichen, Kopfschlagen, Maulbewegungen, Schweifschlagen, Übersprungshandlungen und Anzeichen für Schmerz.
Und auch hier wird gefordert, dass „der Gesetz,- bzw. Verordnungsgeber gefordert ist, jedwede Tier,- und vor allem Pferdenutzung in Karnevals Umzügen zu verbieten.“
Dieser Forderung schließen wir uns vorbehaltslos an!